Urteile im Naziprozess Dortmund

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Allgemein / Antisemitismus / Dortmund
Angeklagte im Naziprozess Dortmund mit ihren Anwält*innen. Sie werden von einem Mensch mit Kamera gefilmt.

Nach etwas mehr als dreieinhalb Jahren und 15 Verhandlungstagen wurde am 30. Mai 2022 ein Urteil gegen zehn Nazis in Dortmund gesprochen. Sie hatten am 21. September 2018 auf einer Demonstration in Dortmund-Marten die antisemitische Parole „Wer Deutschland liebt, ist Antisemit“ gebrüllt.

Im Einzelnen wurden fünf Angeklagte zu teils empfindlichen Geldstrafen verurteilt und fünf freigesprochen. Drei davon wegen Restzweifel und zwei aus sogenannten rechtlichen Gründen. Dennoch ein wichtiges Urteil und auch ein Signal an die jüdische Community in Deutschland. In einer Pressemitteilung von der Antidiskriminierungsberatungsstelle ADIRA heißt es: „Betroffene von antisemitischen Straftaten sehen bisher leider oft davon ab, eine Anzeige zu stellen, weil sie befürchten, dass die Täter am Ende keine rechtlichen Konsequenzen erfahren. Dass dies nun hier anders ist, kann das Vertrauen in das Rechtssystem stärken“.

Die Urteile wurden aufgrund von Vorstrafen der Angeklagten zusammengelegt. Um ein Beispiel zu nennen. Dennis B. wurde zu einer Gesamtstrafe von 250 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt. Für das Brüllen der Parole waren es alleine 150 Tagessätze zu je 5o Euro also 7500 Euro. Zu seinen Vorstrafen gehört untern anderem auch Volksverhetzung und das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole.

Bemerkenswert ist eine der Begründungen des Gerichts, das eindeutig bezüglich der Parole feststellt: „Das Deutschland liebende Menschen in Deutschland lebende Juden hassen“. Allerdings gehört zum ganzen Bild, das erst der Rahmen, also die Demonstration, die Strafbarkeit erfüllt. Im Plädoyer der Staatsanwaltschaft hieß es, würde die Parole von einer einzelnen Person, zum Beispiel in einem Parkhaus zu einer anderen, gerufen wäre es wohl Meinungsfreiheit.

Dark-Room

Bis auf einen Tag habe ich alle Verhandlungstage begleitet, den Prozess beobachtet. Eine der Besonderheiten, aufgrund der vielen Angeklagten und dementsprechend auch Verteidiger*innen wurde der Prozess nicht im Landgericht, sondern im „Freizeitzentrum-West“ durchgeführt. Eine kleine Halle, in der sonst Konzerte stattfinden. In einem der ersten Verhandlungstage monierte einer der Verteidiger, es handele sich um einen „Dark-Room“ und forderte eine Rückkehr in das eigentliche Gerichtsgebäude.

Ein weiterer Aspekt sind die sogenannten Rechtsgespräche. Der Vorsitzende Richter kündigte vor dem Ersten an, dass er offen im Saal etwaige Ergebnisse und Inhalte mitteilen werde. Das ist nie passiert. Auf Nachfrage des WDR bei der Pressestelle hieß es das der Richter alleine entscheidet ob, wann und wie. Es gab mindestens drei dieser Rechtsgespräche und es gab keine Informationen darüber an die Beobachter*innen des Prozesses. Dies Praxis sollte und darf hinterfragt werden. Im Sinne der Transparenz, ist es sicherlich besser und auch vertrauensfördernd, wenn derlei Informationen nicht nur versprochen, sondern auch mitgeteilt werden.

Skurrile Episoden

Eine weitere skurrile Episode. Dr. Björn Clemens forderte an einem Tag mein Smartphone zu beschlagnahmen. Ich hatte im laufenden Prozess aus dem Saal heraus getwittert. Dass ihm mein Content nicht gefällt konnte ich wirklich nicht ahnen. Der Richter ordnete allerdings daraufhin an, dass alle Beobachter*innen ab dem Zeitpunkt ihre Handys abzugeben haben. Ein Unding. Wer Twitter aufmerksam verfolgt, wird immer wieder Tweets lesen, die offensichtlich aus laufenden Prozessen heraus geschrieben werden. Erst eine Beschwerde eines Anwalts des DJV schaffte Klarheit und Handys waren wieder zugelassen.

Ebenso absonderlich wie widerwärtig war eines der Plädoyers der Verteidigung. Es wurde Bezug auf Adolf Hitler genommen. Einmal auf seine Ablehnung der Reichsfahnen und er wurde umschrieben mit sinngemäß größter bekannter Nationalsozialist. Ich habe immer noch Kotze im Hals von dem Tag.

Nach der Urteilsverkündigung zeigten die Nazis keine Reaktion, bis auf die in Teilen meiner Meinung nach gespielten guten Laune. Auch gab es seitens der Verteidigung kein Hinweis ob Revision oder nicht. Es bleibt ihnen nun eine Woche Zeit das zu entscheiden.

Fazit

Rückblickend ist für mich jetzt auch eine gerichtliche Bestätigung da, dass es richtig gewesen ist sowohl den Livestream, wie auch das Bild mit den Bengalos zu veröffentlichen. Es gab die Tage nach der Berichterstattung auch kritische Stimmen. Es hieß solche Veröffentlichungen helfen den Nazis. Sie bekommen das, was sie wollen, Aufmerksamkeit. Ich würde ihnen eine Plattform geben, genau daraus spekulieren sie. Dazu passt auch die Urkunde, die die Nazis mir haben zukommen lassen. Der Spiegel berichtete. Laut dieser habe ich mich im Sinne der Partei verdient gemacht und wurde zum Propagandabeauftragen ehrenhalber ernannt. Unterschrieben wurde sie von Michael Brück und Sascha Krolzig. Ob sie das immer noch so witzig finden? Aus der Stadtgesellschaft kamen Stimmen die sagten es schade dem Image der Stadt.

Ich werde das Gefühl beim Anblick der beiden Menschen mit Bengalos auf der Garage nie mehr vergessen. Die verdunkelten umliegenden Fenster. Kein Licht. Keine Menschen. Genau diesen Menschen wollte ich eine Stimme geben. Was ich zu dem Zeitpunkt der Veröffentlichung nur vermutete wurde im Rahmen einer Zeugenaussage dann auch bestätigt. Die Menschen hatten Angst. Ein loderndes Licht, viele Fahnen und eine grölende Horde Menschen. Das weckt nicht nur bei älteren Erinnerungen. Das ist gewollt.

Nie wieder ist jetzt.

Beitrag des WDR von dem Tag

 

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