Herausragender Redebeitrag der Lila*Lösung – 3. Oktober Hamm

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Gastbeitrag / Queerfeminismus

Mal wieder ein Gastbeitrag, allerdings auf eigenen Wunsch. Am Tag der antifaschistischen Demo in Hamm schrieb ich auf Twitter bereits, dass ich den Redebeitrag gerne zum Nachlesen hätte. Ich wurde erhört. Die queerfeministischen Gruppe Lila*Lösung aus Hamm veröffentlichte ihren Text zuerst auf Facebook. Um diesen wirklich gelungenen Redebeitrag auch abseits von Facebook zugänglich zu machen, fragte ich ob eine Veröffentlichung als Gastbeitrag in meinem Blog möglich und erwünscht ist. Es ist und lest das bitte. Es ist mir ein Herzenswunsch! Los geht’s:

Liebe Freund*innen…,
danke, dass ihr heute alle mit uns bei diesem wichtigen Thema auf der Strasze seid! Wir, die Lila*Lösung, sind eine queerfeministische Gruppe aus Hamm. Wir haben uns im Mai diesen Jahres gegründet. Das Thema Queerfeminismus war in Hamm vorher kaum präsent. Wir wollen diese Lücke füllen und neben dem Aufklären über jegliche Diskriminierungen, queeren Lebensweisen Sichtbarkeit und Gehör verschaffen. Deshalb sind wir auch so froh, dass ihr euch auf der Demo vom haekelclub590 unserem queerfeministischen Block angeschlossen habt!

Diese Demo richtet sich gegen die lokalen Nazistrukturen und den gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck auf allen Ebenen. Doch was hat Queerfeminismus jetzt damit zu tun? Eine gesellschaftliche Struktur, die auf Hierarchien aufgebaut ist und einem stetigen Konkurrenzdenken unterliegt, fördert patriarchale Strukturen, die kulturübergreifend und somit weltweit vorhanden sind. In Zeiten, in denen rechten Parteien zunehmend mehr Raum gegeben wird, wird die Relevanz von Antifeminismus deutlich spürbar.

Zur großen Erzählung des angeblichen Niedergangs Deutschlands gehört neben dem heraufbeschworenen Bedrohungsszenario „Migration“ immer auch das Feindbild Feminismus. In kompletter Ignoranz aktueller politischer, gesellschaftlicher und ökonomischer Realitäten behauptet die AfD-Fraktion im NRW-Landtag: Gleichstellung bedeute am Ende, dass Frauen bevorzugt werden. Mit diesem Argument forderte die AfD NRW zur Landtagswahl die Abschaffung der Gleichstellungsbeauftragten.

Offen sexistische Aussagen, Bilder und Forderungen finden sich haufenweise, insbesondere bei der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“. Das Feindbild „Gender“ bzw. Geschlechtergerechtigkeit ist in den Wahl- und Parteiprogrammen der AfD auffallend präsent. Die Partei lehnt geschlechterneutrale Sprache mit dem Argument ab, diese sei „unnatürlich“; Gender Studies als Forschungszweig an den Universitäten sähe die Partei am liebsten abgeschafft; und unter dem Kampfbegriff „Frühsexualisierung“ wendet sich die AfD gegen Lehrpläne, die geschlechtliche und sexuelle Vielfalt als Normalität im schulischen Kontext thematisieren. Sie tun so, als seien Kinder und Jugendliche mit der längst zur Normalität gewordenen Vielfalt von Lebensentwürfen überfordert. Dabei sind es wohl eher die grauen Herren und Damen der AfD selbst, denen die gesellschaftliche Anerkennung unterschiedlicher Lebensrealitäten Unbehagen bereitet.

Doch auch in der Gesamtgesellschaft gibt es stetigen Gegenwind gegen den sogenannten „Gender-Wahnsinn“. Feminismus ist ein zentrales Feindbild in unserer Gesellschaft, welches in einigen Gruppen anschlussfähiger ist als Rassismus. Der Unwille eigene Privilegien zu hinterfragen, ist bei Männern der akademischen Mittelschicht ebenso ausgeprägt, wie bei den vielbeschworenen „Abgehängten“. Sie alle sehen gemeinsam die Vorteile in einem konservativen, nahezu antimodernen Familien- und Gesellschaftsbild: Wer ansonsten nichts ist, ist immerhin noch Mann.

An Sexismus im Alltag kommt man heutzutage nicht mehr vorbei. Einen großen Teil davon macht Werbung aus, mit der wir permanent konfrontiert sind. Sei es durch eine entwertende und sexualisierte Darstellung von weiblich gelesenen Personen, oder stereotypes Gender-Marketing. Hierbei werden Menschen, die nicht dem hetero-normativen Bild entsprechen, meist komplett außen vor gelassen und finden keine Erwähnung. Aber auch in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen werden queere Menschen diskreditiert und diskriminiert, zum Beispiel indem ihnen ihre Identiät nicht anerkannt wird. Ein ganz offensichtliches Beispiel hierfür sind öffentliche Toiletten, welche in der Regel nur in männlich und weiblich unterteilt werden.

Immer noch wird Frauen* das Recht über den eigenen Körper zu entscheiden abgesprochen, was bei Debatten um den Abtreibungsparagraphen gut erkennbar ist. Ebenfalls werden hier Menschen, die sich nicht als Frauen* identifizieren und schwanger werden können, außer Acht gelassen. Beim sogenannten Pro-Life-Bündnis, welches sich vehement gegen Abtreibungs- und Selbstbestimmungsrechte einsetzt, vereinen sich alle antifeministischen Strömungen unter einem Dach. Auch Parteien der sog. Mitte wie die CDU und ihre Jugendorganisation ,,Junge Union“, haben anscheinend kein Problem beim „Marsch für das Leben“ Seite an Seite mit Fundamentalist*innen und Neonazis zu laufen. Antifeminismus ist und bleibt ein gemeinsamer Nenner jeder rechten Ideologie!

Das wollen wir so nicht stehen lassen! Also was kann Queerfeminismus dagegen tun? Und was ist das überhaupt genau? Für uns bedeutet Queerfeminismus die Gleichheit aller Menschen. Also gegen die Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität und -auslebung. Unser Queerfeminismus ist antifaschistisch! Das heißt frei von Rassismus, Ableismus, jedem Antisemitismus und jeglichen anderen Menschenfeindlichkeiten. Wir stehen ein für eine solidarische Gesellschaft und für die freie Auslebung alternativer Lebensentwürfe!

Doch wie fängt man da an? Wir finden: in der Aufklärung und in der Bildungsarbeit. Damit, dass wir mit Menschen sprechen, Horizonte erweitern und Selbstreflektion anregen. Wir wollen aufzeigen, was wir alle durch unsere Sozialisation mitbekommen. Durch die gesellschaftliche Annahme, dass alle Menschen erst einmal hetero und cis sind, sich also als das Geschlecht identifizieren, welches ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde, ist ein Ausbruch daraus oft nicht einfach. Das ist oft mit Diskriminierung, Selbstzweifeln und anderen Hürden verbunden. Wir wollen Vorurteile aufbrechen und Menschen, die unter diesen Dingen leiden müssen, empowern! Dazu müssen wir alle ein Bewusstsein dafür schaffen. Sowohl bei uns selbst, als auch bei anderen! Wir müssen zusammen stehen und dürfen uns nicht unterkriegen lassen!

Redebeitrag der queerfeministischen Gruppe „Lila_Lösung“ aus Hamm bei der antifaschistischen Demo, ebenfalls in Hamm, vom 3. Oktober 2019. Folgt der Gruppe auf Twitter –> @lilaloesung!

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