Fridays gegen Altersarmut

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Seit ich Ende 2019, im November, das erste Mal auf die ominöse Gruppierung „Fridays gegen Altersarmut“ aufmerksam gemacht wurde, hatte ich sie im Blick. Die Gruppe, die bei Facebook mittlerweile über 300.000 Mitglieder hat, rief für den 24. Januar erstmalig bundesweit zu Kundgebungen in vielen Städten auf.

Auffällig war nicht nur die Anlehnung ihres Eigennamens, sondern auch das Erkennungszeichen der Gruppe, welches sich stark an das von „Fridays for Future“ anlehnt. Das sollte wohl für einen Imagetransfer sorgen und wenn ich die Resonanz betrachte komme ich zu dem Schluss, dass das in Teilen auch funktioniert hat. Umso unverständlicher ist es für mich, dass die von FFF nicht umgehend eine klare Distanzierung als Pressemitteilung herausgegeben haben. Vielleicht habe ich diese auch einfach verpasst, dann gerne unten durch einen Kommentar ergänzen.

Ich will im Einzelnen jetzt nicht auf „Heinz Madsen„, dem Initiator der Bewegung eingehen. Ihr findet reichlich Infos über ihn mit einer Suchmaschine eurer Wahl, oder lest auf Twitter den Hashtag #noFgA. Auch sehr gut ist der Text des Bayrischen Rundfunks zum Thema.

Die beiden Kundgebungen in Dortmund

Es waren zwei Kundgebungen für heute in Dortmund angemeldet. Eine in Dortmund-Hörde und eine weitere in der Innenstadt, vor der Reinoldikirche. In beiden Fällen habe ich die Mobilisierung unterschätzt. Es waren pro Versammlung ungefähr 30 Teilnehmende. Meine Prognosen waren deutlich geringer. In Anlehnung an die „Gelben Westen“ ging ich von maximal zehn Teilnehmer*innen aus. Ich hatte mich getäuscht. Wir tun gut daran, dass nicht zu unterschätzen. Es wird nicht deren einziger Aktionstag gewesen sein.

Beginnen wir mit Hörde. Treffpunkt war die „Schlanke Mathilde“, sowas wie der Marktplatz dort. Klein, beschaulich und von Kleingastronomie umsäumt. In der Spitze waren dort bis zu 30 Menschen. Ein Tisch wurde aufgebaut und Flyer ausgelegt. Das kenne ich alles von den „Gelben Westen„, wie auch von den mittlerweile in der Versenkung verschwundenen Bewegung „Pulse of Europe“.

„Jetzt weiß ich wer Sie sind“

Gesehen habe ich in erster Linie ältere Menschen, nichts auffälliges. Keine Kleidung, die Rückschlüsse auf politische Gesinnung zugelassen hätte. Ich war trotzdem in einem sanften Alarmmodus, wie sich herausstellen sollte mit Recht. Als ich mein erstes Foto gemacht hatte kam ein Mann, selbst eine Kamera über der Schulter hängend, zu mir und fragte wer ich bin, für wen ich arbeite. Meine automatisierte Antwort an der Stelle ist immer: „Das geht Sie nichts an“. Damit war er nicht zufrieden und wackelte umgehend zur Polizei. Zwei Einsatzwagen parkten in der Nähe ohne besonders auffällig zu sein.

Zurück von der Polizei fragte ich ihn ob er erfolgreich war, er antwortete: „Jetzt weiß ich wenigstens wer Sie sind“. Genau, so habe ich auch gestaunt. Ich meine was hatte er da gerade gesagt? Wer von der Polizei hatte ihm meinen Namen genannt? Vielleicht auch noch meine Schuhgröße? Ich war baff ob seiner Ansage. Beließ es aber erstmal dabei.

Der Radfahrer

Ungefähr 20 Minuten später fuhr ein Radfahrer an mir vorbei, er war nicht Teil der Versammlung, aber pöbelte mich direkt an: „Ey du Nase, lass die in Ruhe“. Gemeint waren die Menschen bei der Kundgebung. Das irritierte mich. Kannte er mich? Wer ist er? Er blieb stehen, machte Fotos. Dann ging er zu einem Teilnehmer der Versammlung und „informierte“ ihn über mich. Das muss dieser Fame sein, um den mich viele beneiden!11 Dann stieg er auf sein Rad, rollte an mir vorbei und forderte mich auf ihm zu folgen. Es war ganz offensichtlich, dass er mich schlagen wollte. Einfach so, ein Mensch auf einem Rad, kein Teilnehmer der Versammlung.

Zurück zu dem Mensch mit Kamera. Ich war kaum noch in der Lage meine Arbeit zu verrichten, zu fotografieren. Die ganze Zeit schwebte in meinem Kopf der Gedanke, was hat der Beamte ihm gesagt? Was wissen die jetzt über mich? Das erzählte ich einem Journalisten des WDR, der daraufhin zu dem Einsatzleiter der Polizei ging um das aufzuklären. Er kam zurück und sagte mir, der Beamte h#tte ihm meinen Twitternick „Korallenherz“ verraten. WTF. An dem Punkt reichte es mir und ich schrieb einen Tweet an die Polizei Dortmund. Sowas darf nicht passieren und den Verlauf könnt ihr auf Twitter nachlesen.

Später kam ich mit dem Beamten ins Gespräch. Er entschuldigte sich, er war sich über die Tragweite nicht bewusst. Fehler passieren. Schwamm drüber. Ich erwarte aber eine Sensibilisierung innerhalb der Behörde, warum das problematisch ist und es sollte nicht noch einmal vorkommen.

Die Kundgebung in der Innenstadt

Da auf meinem Plan noch die andere Kundgebung stand, schloss ich mich nach ca. einer Stunde dem WDR-Team an und fuhr mit ihnen gemeinsam in die Innenstadt. Dort angekommen war ich überrascht aber auch erleichtert. Einige antifaschistische Menschen und mir bekannte Journalisten waren bereits vor Ort. Sie berichteten, dass Dortmunder Nazis teilgenommen hatten, sich aber bereits wieder entfernt hatten. Von angeregtem Austausch war die Rede. Wenig verwunderlich, denn die Partei „Die Rechte“ mobilisierte zu den bundesweiten Kundgebungen, ebenso wie die AfD und die NPD.

Das Erscheinungsbild hier war dasselbe wie zuvor in Hörde. Vorwiegend ältere Menschen, keine nach außen erkennbare Zugehörigkeit zu rechten Strukturen, keine Naziklamotten. Gleichwohl waren aber auch sie mindestens rechtsoffen und ich hörte mehrfach die Beschwörungsformel man sei nicht rechts, man würde unfairerweise in die rechte Ecke gedrängt. Das der ursprüngliche Anmelder (dr war heute krank gemeldet und eine Frau für ihn eingesprungen) eindeutig rechte Inhalte auf Facebook teilt würde nichts bedeuten. Hätte nichts mit der Versammlung zu tun.

Einer der Teilnehmer machte aus meinem Teleskopstativ am Fotorucksack hängend eine Waffe und meinte das wäre umgebaut, wie man an dem Handgriff erkennen könne. Ein weiterer Teilnehmer, er trug eine „Thor Steinar“ Jacke, sagte zum WDR irgendwas mit „Mainstream Presse“ und ich sei ja dieser „Rutkowski“, der „Korallenherz“. Erstaunlich, auch ihn hatte ich, wie den Radfahrer zuvor, noch nie gesehen. Trotzdem wusste anscheinend alles über mich. Sicher nur ein Zufall.

Nach einer weiteren Stunde verließ ich mit dem WDR-Team die Versammlung. Genug für den Tag.

Fazit

Das Thema „Altersarmut“ ist enorm wichtig. Es geht uns alle an, ganz gleich welchem Jahrgang wir angehören. Wir dürfen das Thema aber nicht den Rechten überlassen. Was gerade mit „Fridays gegen Altersarmut“ passiert ist nichts weiter, als der Versuch das Thema von rechts zu besetzen. Nazis instrumentalisieren Altersarmut und die Teilnehmenden für ihre eigene Agenda. Traurig, dass sich so viele Menschen vor diesen Karren spannen lassen und es nicht merken. Da müssen wir wohl noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten.

Sehenswert: Es gibt einen Beitrag der Lokalzeit Dortmund vom heutigen Versammlungsgeschehen. Er gibt einen guten Einblick in die Gedankenwelt der beiden Anmelder*innen. Und zum guten Schluss der Hinweis auf mein Flickr-Album mit einigen Bildern der beiden Kundgebungen.

2 Kommentare

  1. Kerstin Thiele sagt

    Hallo, auch bei uns war heute so eine Kumdgebung. Ca. 15 Leute waren bei der Mahnwache,Initiator ein SPD Genosse,dem,das aber nicht peinlich war (ist in meinem Ortsverein!),auf die Inhalte der Flyer angesprochen konnte man mir keine Auskünfte geben,außer dass unsere Rentenbeiträge an die Flüchtlinge ausgezahlt werden! Und das Gerhard Schräder persönlich an der Rentenkasse Gekd für Carsten Maschmeyer angehoben hat. Beim SPD Genosse stellte sich dann ein gut gekleideter Mann dazu ,ungefähr in meinem Alter (54) und hat mir nochmal eindeutig zu verstehen gegeben ,dass man neutral sei und vor keinen Karren gespannt ist ,bla,bla,bla….
    Während des Gespräches verständigte man sich dann mit Blicken dass dieser Mann alleine mit mir sprechen soll…
    Das war eine sehr seltsam anmutende Truppe, die auch von der Polizei bewacht wurde ! Die Rattenfänger scheuen wirklich vor nichts zurück!

    Lg Kerstin Thiele

    • Robert sagt

      So oder ähnlich lief es wohl bei den Meisten der Kundgebungen statt. Ihnen war allen sehr wichtig sich von rechts zu distanzieren, ohne zu merken, dass sie ihnen schon längst auf den Leim gegangen sind.

      Und mit Verlaub „Rentenbeiträge an die Flüchtlinge ausgezahlt werden!“ ist rechte Propaganda.

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