Die Wewelsburg

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Ansicht eines Teils der Wewelsburg. Heller Sandstein und viele vierteilige Fenster.

Am Vortag des 75. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz habe ich mit einer guten Freundin die Wewelsburg besucht. Sie war als Ordensburg das Objekt der Begierde von Heinrich Himmler und Treffpunkt der Massenmörder der SS. Mehr zum historischen Hintergrund erfahrt ihr auf der Seite der Erinnerungs- und Gedenkstätte selbst. Auch eine Empfehlung zur schnellen Einarbeitung ist ein im Jahre 2010 erschienener Text im Spiegel.

Das doppelte Museum

Vorab, als wir an der Burg ankamen, fühlte ich mich ähnlich beklommen wie bei meinem Besuch der Burg Vogelsang im Jahre 2016. Es dauerte etwas bis mir klar wurde, dass die beiden Gedenkstätten nicht vergleichbar sind.

Ohne Vorwissen stapften wir in Richtung der Burg und zahlten unseren Eintritt. Schon im Foyer überkam mich ein Unbehagen, es gab zum Beispiel Postkarten mit Burgansicht und Teetassen mit der Aufschrift „Wewelsburg“. Es war für mich schwer vorstellbar, dass ein Gebäude mit der Geschichte ein ganz normales Ziel für Touristen sein könne, aber genau dieses Bild offenbarte sich mir. Ich war zutiefst erschüttert.

Wir liefen durch Räume, die eher wohlig anmutend wirkten. Sicher, ich bin mir bewusst, dass die Burg auch eine Geschichte vor der NS-Zeit hatte. Trotzdem erschien es mir verklärend. Der für mich wichtigste Aspekt dabei, Menschen können die Wewelsburg besichtigen, ohne mit der Zeit des Nationalsozialismus in Berührung zu kommen. Nur wenig fühlt sich für mich falscher an.

Ja, am Eingang war eine Tafel, die mit Zahlen und Erklärungen die möglichen Touren kennzeichnete. Dort hatte ich gesehen, das sich in Gebäude „1“ die Ausstellung zur NS-Zeit befand. Es erschien mir trotzdem abwegig, dass in den anderen Gebäudeteilen nicht ein Hinweis auf das Grauen, die schlimmsten Verbrechen der deutschen Geschichte zu finden sind. Doch genau so war es und ich war wütend. Bin es immer noch.

Die Erinnerungs- und Gedenkstätte

Wir gingen dann zum Gebäude 1, um das zu sehen, weswegen wir eigentlich gekommen waren. Um die Tour zu beginnen, mussten wir erst einige Treppen nach unten steigen. Es fühlte sich an wie das Hinabsteigen in die Hölle und nichts beschreibt das, was einen dort erwartet besser.

Im ersten Raum wurden wir mit der Ablauf, vom Kauf der Burg unter falschen Vorzeichen, dem teils immer noch anhaftenden Mythos der Burg, dem Verlauf der NS-Zeit bis zum Niedergang konfrontiert. Immer wieder im Mittelpunkt, Heinrich Himmler, der „SS Reichsführer“, eine wahrhaft schreckliche Gestalt. Ein kleiner Mann, mit rahmenloser runder Brille, der auf Fotos oft etwas deplaziert wirkt.

SS Runen in Nähe der Burg

Wir hatten Glück, dass gerade eine kleine Gruppe durch die Ausstellung geführt wurde und wir setzten uns dazu. Wir lauschten einem engagierten Vortragenden mit fundiertem Hintergrundwissen und der seine Arbeit in einem späteren Gespräch selbst als Berufung bezeichnet.

Beim Schreiben dieser Zeilen spüre ich wieder die gestrige Gänsehaut. Die lebhaften Schilderungen des Geschehenen und Geschichten von Nazis, die immer wieder versuchen die Ausstellung und das Gelände zu missbrauchen haben sich eingebrannt. Nazis betrachten die Burg als Ort, an dem sie Himmler und der SS nahe kommen können. Der Mythos der sich schon damals um die Burg rankte hat überlebt. Auch erzählte er von einem Foto der „Atomwaffen Division Deutschland“, die in der Nähe waren mit und sich dort haben ablichten lassen. Das Bild ist mir noch gut in Erinnerung.

Der große Unterschied, weshalb ich empfehle die Burg Vogelsang sowie die Wewelsburg zu besuchen, ist die Begegnung mit den Tätern. Mit den Massenmördern, mit den Bestien der NS-Zeit. Nur wer die Geschichte kennt, kann Lehren aus ihr ziehen und dazu gehören beide Perspektiven. Die der Täter und die der Opfer. Ich möchte an der Stelle, wie ich es gerne mache, ein Zitat von Sascha Lobo anführen: „Wer aus der industriellen Massenvernichtung von Menschen, der Shoa, nichts lernt, der lernt aus nichts etwas“.

Es ist erschreckend wie normal die die zum teil gezeigten Gegenstände anmuten, Altags- und Gebrauchsgegenstände, aber auch jene, die zur Untermauerung der NS-Ideologie dienten. Kaum ein Gegenstand, der nicht das Hakenkreuz trägt und oder die Runen der SS. Essbesteck von „WMF“ zum Beispiel.

Die Begegnung mit dem Bösen hinterlässt Spuren, manche lassen ihren Tränen freien Lauf. Es fasst einen an, an einigen Stellen meint man den Schrecken riechen zu können.

Die Gruft und der SS-Obergruppenführersaal

Der Raum der „Die Gruft“ genannt wird hat mich am emotionalsten aufgeladen. Düster, rund, hoch und umsäumt von 12 kniehohen Steinquadern, in der Mitte sowas wie eine Feuerstelle(?). Hoch oben im Zentrum der Decke ein Ornament, in welchem sofort ein Hakenkreuz zu erkennen ist.

Man versteht sein eigenes Wort nicht, jeder Laut verhallt so stark und wird zu Kauderwelsch zermatscht. Wahrlich gruselig. Es gibt viele Spekulationen über diese Halle. Von Ritualen der SS ist die Rede, bewiesen aber ist das nicht. Doch genau aus dem Grund ist der Saal ein Anziehungspunkt für Nazis. Es herrscht ein Fotografier-Verbot, für das ich großes Verständnis habe. Weder in der Gruft noch weiter oben, im SS-Obergruppenführersaal dürfen Bilder gemacht werden. Dieses Verbot wird gut überwacht. Selbst eindeutige Handzeichen werden im gesamten Ausstellungsbereich durch Kameras erkannt und geahndet.

Die Reichsfüher-SS Armbinde in einem Schaukasten. Weiße Schrift auf schwarzem Grund.

Die Räumlichkeit mit dem wohl zweifelhaftesten Ruhm ist weiter oben. Ebenfalls eine runde Halle, sehr hell, von deckenhohen Steinsäulen umrandet. In der Raummitte eine im Boden eingelassene „Schwarze Sonne„. Das Erkennungszeichen der Nazis seit den 90er Jahren wie es heißt. Um diesem Raum etwas die Attraktivität zu nehmen wurden große Sitzkissen und kleine Tische darauf platziert. Erkennbar ist die „Sonne“ trotzdem.

Mit uns befand sich auch die Besuchergruppe vom Anfang dort und lauschten dem aufklärerischem Vortrag, auch wir hörten eine Weile zu und beendeten damit unseren Besuch der Wewelsburg.

Fazit

Macht euch selbst ein Bild. Nehmt euch die Zeit, besucht alle Erinnerungs- und Gedenkstätten die ihr könnt. Werdet auf diese Weise Botschafter*innen der Erinnerung. Ich z.B. trage nicht die Schuld an der Shoa, an der Vernichtung von so vielen Menschen, aber ich habe jetzt eine Mitverantwortung, dass sowas nie wieder geschieht.

Nazis haben heute wieder Rückenwind, mit der AfD haben wir eine Partei im Bundestag, die alles daran setzt den Weg zu ebnen, wieder einmal. Der NS-Staat ist damals nicht vom Himmel gefallen, die Anzeichen waren da und wir können sie heute wieder sehen. No pasarán!

„Dass Auschwitz nie wieder sei“

Zum Abschluss ein Bild welches nicht mehr aus meinem Kopf will. Eine Mütze, ein Kleidungsstück eines Menschen, der im KZ der Wewelsburg zu Arbeitsdienst gezwungen wurde. Im Bild sieht man nur die getragene Mütze, ich sehe den ganzen Menschen.

Die getragene Mütze eine NS-Zwangsarbeiters. Blau-weiß gestreift.

 

1 Kommentare

  1. Rita Werner sagt

    Schade, dass die NS Ausstellung nicht in der Burg selbst zu besichtigen ist, sondern in eine Nebengebäude. Das ändert nichts an deren Qualität, aber es nimmt ein Stück weit Authentizität. Auch finde ich schlimm, dass Besucher die Burg besichtigen können ohne mit der schrecklichen Zeit und der Nutzung der Burg für die furchtbaren Zwecke der Nazis konfrontiert zu werden.

    Darüber hinaus war der Besuch absolut lohnenswert. Hier schon möchte ich dem Gedenkstättenführer danken. Er begann seine Ausführungen mit einem Ausflug in die Jetztzeit. Er berichtete , dass auch Rechte mitunter das Andenken für ihre Zwecke zu missbrauchen versuchen. Er erklärte aktuelle Nazisymbolik , wie zB den Wolfsgruß oder eben die schwarze Sonne. Entsprechende Tattoos, Shirts, etc.: „ Hier darf jeder als Mensch hinkommen. Wenn er das möchte, dann deckt er selbstverständlich solche Symbole ab. Macht er das nicht ,wird ihm konsequent die Tür gewiesen.“

    Die NS Doku beginnt 1923, dem Jahr des Hitlerputsch. Der Vortragende erzählt von der Macht der Worte, der früh bereits einsetzenden Propaganda der damals noch DAP genannten Nazipartei. Wie sie begannen, Politiker zu verhöhnen, die Demokratie verächtlich zu machen und Menschengruppen zu entmenschlichen. Er teilte mit der Hand sein Gedicht und zeigte so den Zuhörern die Doppelzüngigkeit und Hinterlist der Nazis. Das freundliche vordergründige und die Häme gegen andere Menschen. „Wer die Deutungshoheit über die Vergangenheit innehat, der hat die Zukunft in den Händen“. Es fiel nicht schwer Parallelen zum Heute zu ziehen und dem Gebaren einer aktuellen Partei, die wohldurchdacht vorgeht. „Das Wort ist schärfer als das Schwert“.

    In den Ausstellungsräumen konnten Alltagsgegenstände aus der NS Zeit besichtigt werden. Ich habe da immer das Gefühl, einem Menschen etwas sehr intimes zu rauben. Totenscheine, mit gefälschter Todesursache….Dreiecke auf der gestreiften Uniform, Bilder von Kindern….Berichte von einem Überlebenden, der Essen im Straßengraben fand, was ihnen die Dorfbewohner dort versteckt hatten….Tränen kommen mir selbst jetzt beim Schreiben wieder. Die Gewissheit, dass solche Orte, Gedenkstätten, auch die der Täter, so unglaublich wichtig für das Erinnern sind und niemals vergessen werden dürfen.

    Dann sind wir zur „schwarzen Sonne“. Intarsiensarbeit auf dem Boden aus Marmor. Groß, protzig und lächerlich in Anbetracht der vielen Sitzkissen, die sie zum großen Teil ihrer Macht und ihrem Zweck beraubten. Gut so. Ich stand da und starrte auf sie. Ich wollte sie zerkratzen, sie zerstören. In diesem Raum, dem „Obergruppenführerraum“. Zorn. Ich will ihre Symbole zerstören . ich will sie nie mehr sehen. Damals nicht und heute nicht. Sie sind mir widerwärtig. Ihr Mystizismus ist mir ekelerregend.

    Und so endet mein Bericht. Ich habe gemerkt, ich bin alt geworden. Uns steht eine neue Aufgabe zu. Uns, den Kindern der Täter. Wenn ihr mögt. Geht hin. Nehmt eure Kinder und Enkelkinder mit. Erzählt ihnen. Lasst es sie fühlen. Denn nur über das Transportieren von Empfindungen können andere Menschen Emphatie für dieses Grauen entwickeln. Lehrt sie, innezuhalten und zu verstehen.

    Nie wieder Faschismus.
    Lieber Gruß , Rita

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