Gegen jeden Antisemitismus

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Antifa / Antisemitismus / Dortmund
Aufruf für den 16. Januar in Bildform

Keine Ignoranz gegenüber antisemitischer Gewalt

Folgender sehr lesenswerter Aufruf bezieht sich auf eine für Freitag den 16. Januar angemeldete Demonstration von der Katharinentreppe zum jüdischen Denkmal im Stadtteil Dorstfeld. Bekanntermaßen die Hochburg der rechten Szene in Dortmund.

Freitag, 16. Januar ab 18 Uhr an der Katharinentreppe

Aufruf

In diesen Tagen ist die Welt erschüttert über die Anschläge in Paris auf die Satire-Zeitschrift »Charlie Hebdo«. Im anschließenden Bedrohungsszenario verfolgten über 80.000 Sicherheitskräfte die Täter, bis schließlich ihre Ergreifung bzw. ihre Tötung gelang und die meisten Menschen, die sich in der Gewalt der drei Attentäter befanden, befreit werden konnten. Dennoch sind zum jetzigen Stand wohl mindestens zwölf Menschen in den Redaktionsräumen von »Charlie Hebdo« und mindestens vier Tote in dem jüdischen Supermarkt, das der allein agierende Attentäter angriff, zu beklagen.

Das Attentat auf den Pariser Supermarkt reiht sich bedauerlicherweise in eine Reihe von antisemitischen Anschlägen und Angriffen in Europa der letzten Jahre ein: Im März 2012 erschoss ein Mann in Toulouse vier Menschen jüdischen Glaubens, darunter drei Kinder. Im Mai zwei Jahre später erschoss ein Franzose in Brüssel ebenfalls willkürlich vier Menschen. Im Zuge des Gaza-Krieges kam es in Frankreich zu zahlreichen Angriffen auf Synagogen.

Auch in Deutschland gab es in den letzten Jahren immer wieder neben verbaler Gewalt gegen jüdische Menschen eine große Anzahl an Übergriffen. Bei der Berichterstattung in den Medien über all diese Fälle von offen antisemitischer Gewalt fällt dabei auf, dass sich (zumindest in der Masse der Publikationen) meist eher auf die Täter, deren Umfeld und Sozialisation und die Gefahr für andere Länder thematisiert und diskutiert wird. Der Antisemitismus hinter den Attacken wird selten benannt und den Opfern wird kaum Aufmerksamkeit zuteil.

Gerade auch in Dortmund geschehen offen antisemitische Bekundungen und Aktionen, wenn auch nicht in terroristischem Ausmaß. Der aktuellste Vorfall: In Dortmund-Dorstfeld wurde am Silvesterabend von Unbekannten ein Gedenkkranz am jüdischen Mahnmal in Brand gesetzt. Überraschend ist diese Aktion jedoch nicht, in Dorstfeld wohnt ein Großteil der hiesigen Neonaziszene. Einer ihrer führenden Kader betreibt einen Versand, der sich in seiner vollen Ausschreibung »Antisem.it« nennt. Hier werden auch Dinge vertrieben, die geeignet dafür scheinen, direkte Angriffe auf Menschen anderen Glaubens oder anderer politischer Ausrichtung durchzuführen, etwa Sturmhauben, Steinschleudern und Reizgas.

Des Weiteren wird aufseiten der Dortmunder Nazis seit dem Verbot des NWDO (Nationaler Widerstand Dortmund) versucht – im neuen Gewand der Partei »Die Rechte« – über einen quasi »legalen« Weg, ein Bedrohungs- und Einschüchterungsszenario heraufzubeschwören: Vor Kurzem stellte die extrem rechte Partei eine Anfrage an den Rat der Stadt Dortmund, in der um Auskunft über Anzahl von Menschen jüdischen Glaubens (nach Wohnbezirken geordnet) in Dortmund gebeten wurde. Bundesweit sorgte dies für Aufsehen, was wohl auch eines der Ziele dieser Anfrage gewesen sein dürfte. Denn die Dortmunder Neonazis scheinen seit einigen Monaten unter dem Deckmantel ihrer Partei zu ihrer alten, offen militanten Linie zurückkehren zu wollen.

War am Anfang der Gründung der Partei noch teilweise der Versuch zu erkennen, sich als handzahme Opfer einer bösen linksliberalen Politik im Allgemeinen darzustellen, so beginnen die Neonais seit einigen Monaten wieder, zu ihren alten Provokationen, Übergriffen und verbalen Attacken zurückzukehren. Ob dies aus politischen Frust oder politischer Taktik passiert, sei hier dahingestellt. Klar ist, dass sie in den letzten Wochen des Jahres 2014 wieder vermehrt in der Öffentlichkeit auftraten, um sich mit Aktionismus und Provokationen selbst ihrer vorgeblichen Stärke oder Dominanz in Dortmund zu vergewissern. Dies ging glücklicherweise angesichts des antifaschistischem Widerstands eher nach hinten los, insbesondere in der Nordstadt.

Nichtsdestotrotz nutzten die Neonazis diese »Auftritte«, um ihre Menschenverachtung und ihren offenen Hass auf alles Jüdische kundzutun: So verhöhnten sie an einem Abend die von den deutschen NationalsozialistInnen Verfolgte Anne Frank und skandierten bei ihren kümmerlichen Aufmärschen in der Stadt Parolen wie „Antisemiten kann man nicht verbieten“. Dass sie sich mit dieser Stoßrichtung erneut offen in die Tradition der NSDAP stellen, ist gewollt provokant und soll AntisemitInnen aller Couleur auf sie aufmerksam machen und zeigen: »Wir trauen uns zu sagen, was ihr denkt.« Es ist die Stilisierung als Tabubrecher, die offenbar auch antreibend funktioniert.

Wohlgemerkt sind nicht nur deutschnationale DumpfrassistInnen à la PEGIDA oder etwa die »Hooligans gegen Salafisten«, welche bei einer Demonstration in Köln Menschen angriffen (und an welcher die Dortmunder Nazis auch teilnahmen), potenzielle BündnispartnerInnen in der Verfolgung ihrer Absichten. Ihr Ziel liegt im antisemitischen Kampf gegen kosmopolitische Ansätze, linke Lebensweisen und jüdisches Leben in Europa. Dazu gehört auch ihr Kampf gegen eine Politik, die auf Verständigung und Akzeptanz setzt – und auch den Willen sowie das Engagement besitzt, Antisemitismus zu erkennen, zu bekämpfen und dementsprechend auch bestimmte Formen von Antizionismus als (schlecht) getarnten Antisemitismus zu identifizieren.

Im Spätsommer 2014 nahmen einige Mitglieder der Partei »Die Rechte« an den Demonstrationen gegen Israel anlässlich des letzten Kriegs der Hamas gegen Israel teil. Bei diesen Demonstrationen ist nicht für einen kleinen Augenblick der Zweifel aufgekommen, wer die Schuldigen sind, und es wurden die ewig gleichen, teilweise jahrhundertealten antisemitischen Vorstellungen artikuliert. Auch stören Neonazis in Dortmund regelmäßig die Gedenkfeiern zum 9. November, dem Tag der Reichspogromnacht in Deutschland. Als jüngste Provokation wollten die Neonazis in der Nähe eines jüdischen Festes demonstrieren, wovon sie jedoch durch antifaschistische Blockaden abgehalten wurden.

All diese Ereignisse in Dortmund sind nur Teil einer Reihe von Vorkommnissen und Aktionen der aktiven Neonaziszene in Dortmund. Wir weisen nachdrücklich darauf hin, dass sich hierbei ihr Hass auf jüdisches Leben und die Imagination einer vermeintlichen globalen jüdischen Dominanz , die ganz im klassischen Sinne der Ideologie der NSDAP und ganz Nazideutschland steht. Die antisemitische Konstruktion, dass »der Jude« als das Gegenüber von völkischen, nationalistischen und rassistischen Vorstellungen fungiere und somit als Feindbild identifiziert werden könne, ist so nicht neu und war in dieser Form auch nie verschwunden.

Auch ist diese antisemitische Konzeption nicht auf Deutschland und Europa beschränkt, wenn auch der Vorgängerstaat der BRD versuchte, diese Weltvorstellung in den Konzentrationslagern in barbarischer Weise umzusetzen und viele der TäterInnen im Nachhinein niemals belangt und sogar noch mit wichtigen Posten in Politik und Wirtschaft »belohnt« wurden. Aber eben auch antisemitische Anschläge wie die in Frankreich stehen in dieser Tradition aus antisemitischer Gewalt, Auslöschungsfantasien und dem Hass auf alles, was nicht ins rassistische, religiöse oder nationalistisch-völkische Weltbild passt.

Wir rufen dazu auf, sich diesem antisemitischen Wahn und der von ihm ausgehenden Gewalt – egal von wem diese ausgeübt wird – entgegenzustellen und diesen auch als solchen zu benennen. Daher werden wir am Freitag, dem 16. Januar 2015, unsere Wut über diese antisemitische Gewalt auf die Straße und direkt nach Dorstfeld tragen.

Gegen jeden Antisemitismus – Keine Ignoranz gegenüber antisemitischer Gewalt!

Dieser Aufruf wurde von Antifaschistische Union Dortmund, Antifa Medienzusammenhang Dortmund, Jugendantifa Dortmund und Autonomer Antifa 170 gemeinsam veröffentlicht.

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