Friedenstournee – Aluhüte in Dortmund

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Aluhüte

Am 8. August machte die sogenannte Friedenstournee Station in Dortmund. Einen ganzen Tag lang war also für eine Bespaßung mit Verschwörungstheorien und wirrem Geschwurbel gesorgt. Die Initiator*innen waren mir bekannt, leider. Sie versuchten sich bereits Wochen zuvor, im Protestcamp der syrischen Refugees an der Katharinentreppe festzusetzen – mit einem Teilerfolg. Verwirrte Menschen haben dafür gesorgt, dass sich die Gruppierung um Jürgen Lutterkordt dort einbringen konnte. Den Meisten von uns Supporter*innen war klar, dass es um eine Instrumentalisierung des #Protestbamfdo ging. Das war widerlich, ist aber eine andere Geschichte.

Ich war insgesamt acht Stunden vor Ort und habe mir die Veranstaltung angeschaut. Schließlich verfolge ich die Entwicklung der ’neuen‘ Montags- aka Friedensmahnwachen seit ihrer Abspaltung von den traditionellen an der Reinoldikirche. Im letzten Jahr wurden die Rechten dort kaltgestellt. Danach versammelte sich der neue Haufen immer montags an den Katharinentreppen. Sehr häufig waren bekannte Nazis aus Dortmund anwesend.

Die Veranstaltung beginnt

Wie in den Ankündigungen kommuniziert, begann die knalltütige Leistungsschau um 12 Uhr. In einer ersten Rede am Mikro (Überraschung!), distanzierte mensch sich von rechts, auch, weil der Dortmunder Ableger der Partei ‚Die Rechte‘ quasi dazu aufgerufen hatte, der Veranstaltung einen Besuch abzustatten. Wer hätte das gedacht.

Auch zwei Menschen aus der Piratenpartei waren als Redner*innen angekündigt. Es versprach also spannend zu werden.

Zu Beginn habe ich mich mit Anderen in der Nähe bei einem Fast-Food-Anbieter draußen an einen Tisch gesetzt. Keine fünf Minuten und der erste Anquatschversuch seitens Regula Rickert (Piraten) in meine Richtung erfolgte. Ich machte ihr unmissverständlich klar, kein Gesprächsbedarf zu haben. Es schien ihr wenig verständlich, dass Meinungsfreiheit!1!!11 auch bedeutet, mir ihr Gerede nicht anhören zu müssen. Nun ja …

Die Reden während der gesamten Veranstaltung fanden wenig bis kaum Beachtung. Sie beklatschten sich selbst. Einzig die musikalischen Beiträge motivierten einige flanierenden Menschen kurzzeitig stehen bleiben.

Die Israelfahne und ein spuckender Nazi

Es dauerte nicht lange und eine kleinere Gruppe Nazis (drei an der Zahl) tauchte dort auf. Mittlerweile waren ebenfalls einige Gegendemonstrat*innen vor Ort. Auch, wenn ich mich an dem Tag mehr in der Rolle des Beobachters gesehen habe, zähle ich mich zu letzteren. Interessant: Anstatt, dass die Veranstalter*innen gegen die Nazis vorgingen, baten sie die Polizei, eine ausgerollte Israelfahne ‚entfernen‘ zu lassen. Alles wie immer …

Ungefähr zu dem Zeitpunkt kam ich mit Felix Coeln (Pirat) ins Gespräch. Wie zuvor auf Twitter war schnell klar, dass es nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner bezüglich der laufenden Veranstaltung gab. Im Laufe der Unterhaltung fasste er mich an und ich machte ihm das sehr deutlich klar, dass ich das nicht gutheiße. In diesem Moment spuckte mich einer der Nazis, die Gruppe war mittlerweile auf fünf bis sieben angewachsen, an. Ich war erst völlig sprachlos und fragte dann, was das sollte. Daraufhin kam die Gruppe Nazis geschlossen auf mich zu und bedrängten und bedrohten mich. Allerspätestens der Zeitpunkt, wo auch die Initiator*innen in der Pflicht waren, einzuschreiten, dies aber nicht taten. Die Polizei ging schließlich dazwischen und trennte uns.

Ich habe noch vor Ort eine Anzeige gegen den spuckenden Nazi gestellt. Von zivilrechtlichen Schritten sehe ich zurzeit ab. Das T-Shirt wird einmal bei 60 statt 40 Grad gewaschen und gut ist. :)

Die Bandbreite

Dann kam es zum ersten Auftritt von ‚Die Bandbreite‘, die mehr als umstritten sind, bei diesen ’neuen‘ Friedensdemos aber einen passenden Rahmen gefunden haben. An dieser Stelle wurde auch der Gegenprotest sicht- bzw. hörbar. Marcel Wojnarowicz kurz Wojna, der Sänger, begann sofort gegen mich zu hetzen. Er erwähnte einmal meinen vollen und mehrmals meinen Vornamen und brabbelte was von, dass wir uns schon ewig(!) kennen würden und er sich eine Auseinandersetzung wünscht – gerne auch im Boxring. Auch die Gegenproteste instrumentalisierte er für seine Zwecke. Widerlich.

 

Eine Gruppe von 11 Menschen, die lautstark gegen die Band protestierte, wurde dann von der Polizei abgedrängt und eingekesselt. Es wurden ihre Personalien aufgenommen und eine Anzeige wegen Störens einer angemeldeten Versammlung wurde angekündigt.

Die Knalltüten-Leistungsschau plätscherte weiter vor sich hin. Wirklich erinnern kann ich mich an eine irre kreischende grauhaarige Dame, die Dinge wie „Propagandamaschinerie, die in Goebbels Händen nicht annähernd so schlimm hätte sein können, wie sie es heute ist“ schwadronierte und einen Vertreter vom Freidenker-Verband(!). Letzterer reihte eigentlich alle Gründe aneinander, weshalb diese Wichteltournee ihren Ruf mit Recht hat. Völlig durchgeknallt.

Wojna hat noch nicht genug

So gegen 20 Uhr, ich hatte mich mit zwei weiteren Menschen eigentlich schon dazu entschlossen die Veranstaltung zu verlassen, kam Wojna auf mich zu. Was mir zuerst nicht auffiel, war sein durch beide Hände verdecktes Smartphone (lediglich die Kameralinse war sichtbar). Die Annahme also, dass die Kamera lief, war nicht sehr weit hergeholt. Ich sagte zu ihm, dass ich so oder so nichts mit ihm zu reden habe. Er wurde daraufhin von einem meiner Mitstreiter zurückgedrängt. Danke dafür. Die Polizei war direkt zur Stelle und wir klärten das ohne weitere polizeiliche Maßnahmen.

Anschließend verließen wir den Platz vor der Reinoldikirche. Von Frieden im Sinne der Veranstalter habe ich vorerst genug.

Weitere Redner*innen unter anderem: Rainer Braun (IALARA), Klaus Hartmann (Freidenker Verband), Peter Jüriens u.v.a.

Links zur ‚Friedenstournee‘

Twitter

Getwittert haben ich und Andere unter dem Hashtag #wichteldo und mit dem Suchbegriff „Friedenstournee Dortmund“ finden sich die einzelnen Redebeiträge (von den Veranstaltern hochgeladen) als Videos.

Update:

Der spuckende Nazi, ich nenne ihn „das Lama“, ist deswegen und aufgrund von Vorstrafen zu zwei Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Während der Verhandlung wurde ich vom Richter nach vorne gerufen und der Angeklagte entschuldigte sich bei mir. Der Wortlaut: „Auch wenn wir aus unterschiedlichen politischen Lagern kommen ist anspucken nicht OK und es tut mir leid“. Nun ja.

Am 8. Oktober 2016 habe ich ihn erstmalig wieder gesehen. Er kam mit der Gruppe von Dortmunder Nazis zu der an dem Tag stattfindenden Demo von „Gemeinsam stark Deutschland„. Vor Gericht sagte er noch, da er eine feste Freundin habe und Kind geplant sei (sagen die immer) würde er in Zukunft nichts mehr ‚in der Richtung‘ machen. War ja sehr erfolgreich…

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