Ausgebrannt – Das Helfersymptom

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Allgemein

Angeregt durch einen Artikel im Tagesspiegel – Auszug: „Das Helfersymptom“ möchte Euch etwas von mir erzählen.

Ich erinnere mich in Anbetracht der Berichterstattung über Dirk.V., der die Geschichte des angeblich Toten im Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin (LaGeSo) in Umlauf brachte, daran, wie es mir während und nach dem Protestcamp der Syrischen Geflüchteten in Dortmund ging. Die Folgen wirken bis heute nach.

Das Protestcamp

Das Camp war zuerst in Do-Huckarde gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und dann mehrere Wochen oberhalb der Katharinentreppe gegenüber dem Hauptbahnhof in Dortmund errichtet. Vom zweiten Tag an habe ich fast neun Wochen durchgehend bis zu 14 Stunden (am Ende waren es noch max. 8 Stunden) im sogenannten #Protestbamfdo verbracht. Es waren viele Menschen dort, die geholfen haben, hier soll es aber um die Folgen für mich und die Konsequenz, die ich daraus gezogen habe gehen.

Ich habe Dinge über Twitter organisiert, wie Lebensmittel, Getränke eigentlich alles was im Camp so gebraucht wurde und mir ihre Geschichten von Krieg, Tod,  Leid, Flucht und teilweise auch Folter angehört. Viele davon waren so eindrücklich, dass sie mich bis heute nicht losgelassen haben – wahrscheinlich nie loslassen werden.

Das schlimmste Erlebnis für mich war es, neben einem Menschen zu stehen, der sich mit Benzin übergießen und anzünden wollte. Wenn ich darüber rede, weine ich noch heute – auch jetzt. Er wurde von anderen überwältigt, sodass er sein Vorhaben nicht umsetzen konnte. Später wurde er mit einem Notarztwagen weggefahren. Ich habe ihn nie wieder gesehen.

In den neun Wochen drehte sich mein ganzes Leben nur um das Camp. Zu den täglichen Aufgaben gehörte auch das Beobachten des Umfelds um etwaige Bedrohungen durch Nazis der Polizei, die ständig dort präsent war, zu melden. Es gab mehrere Versuche rechter Übergriffe, die aber immer erfolglos blieben. Die Zusammenarbeit zwischen Helfer*innen, Refugees und Polizei war hier nahezu vorbildlich.

Das Gefühl ausgebrannt zu sein

Mit fortschreitender Zeit bemerkte ich mein Ausbrennen und verringerte die tägliche Stundenzahl, immerhin, acht waren es trotzdem – das Niveau eines Vollzeitjobs. Immer häufiger kamen Menschen auf mich zu und sagten ich solle doch mal eine Pause machen, mir mal Zeit für mich selbst nehmen. Ich winkte ab und entgegnete meist, dass meine Probleme gar nicht so groß werden könnten, wie die der Menschen, für die ich mich im Camp einsetze, was ja eigentlich auch stimmte.

Nach neun Wochen war das Camp beendet und ich fiel in ein riesiges Loch, fühlte mich einsam. Plötzlich war dort eine große Leere. Es folgte ein mentaler Zusammenbruch. Ich war kaum noch in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Leider gelang es einem Anwalt mir in genau der Zeit eine Unterlassungserklärung abzuringen, das ist aber eine andere Geschichte. Die Folgen meiner Aktivität während des Protestcamps spüre ich bis heute, sie sind u.a.  Teil meiner wöchentlichen stattfindenden Gespräche mit einer Psychologin der Traumaambulanz.

Selfcare und Fokussierung

Um auf den Anfang zurückzukommen, dass Helfer*innen und im Besonderen die, die das ehrenamtlich machen oft nicht einschätzen können, was auf sie zukommt und den Faktor Self-Care nicht im Blick haben, ist so ungewöhnlich nicht. Achtet auf euch und eure Mitmenschen. Vielleicht hören sie beim zweiten oder dritten Mal auf Euren Rat kürzerzutreten. Aktivist*innen-Burnout ist kein Mythos.

Ich habe einen Entschluss gefasst und mich, bis auf wenige Ausnahmen, aus der Geflüchtetenhilfe zurückgezogen und widme mich ganz der antifaschistischen Arbeit.

Ich wünsche Dirk V. von ganzem Herzen, dass er das alles so gut wie nur möglich übersteht. Wir können ihm helfen, in dem wir nicht auf ihn eindreschen, gegen ihn hetzen, sondern fragen, wie es so weit kommen konnte …

„All das kann keine Rechtfertigung sein, aber vielleicht Teil einer Erklärung“ – Tagesspiegel

8 Kommentare

  1. Lieber Robert ich kann dich sehr gut verstehen. Ich selber bin seid dem ersten Tag der Drehscheibe im dkh dabei, bis heute. Aber auch ich musste eine Zeit lang kürzer treten und habe meine Zeiten reduziert nun. Mit dem erlebten umzugehen, dafür habe ich einen Weg gefunden. Auch dir wünsche ich es von Herzen das du einen Weg findest mit den traumatischen Erlebnissen umgehen zu können.
    Lieben Gruß Bibi

    • Robert sagt

      Hallo Bibi, ja, es ist schon sehr viel besser jetzt und ich habe ja auch eine Entscheidung getroffen die mich entlastet. Ab und wann treffe ich Menschen aus dem Camp, dann kommen natürlich Erinnerungen, aber die meisten sind positiv. Das hier zum Beispiel: https://vine.co/v/e1xlIL2bbmn <3

  2. Marc-Frederik Neukamp sagt

    Interessanter Beitrag aber ich muss gestehen wenig Mitleid zu haben. Das Ganze klingt mehr wie ein weiterer Stein im Mythosgebilde der Unterstützer der sog. Flüchtlinge. Ob tatsächlich ein Burnout vorlag oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Aber vielleicht suchen Sie sich eine Arbeit mit Sinn und auch anständiger Entlohnung?

    • Robert sagt

      Hatte viel Spaß beim Lesen ihres Kommentars und deshalb veröffentliche ich ihn auch.
      Ich teile ja gerne. :)

  3. Psik sagt

    Es ist sooo wichtig, bei allem politischen Tun auch auf sich selbst zu hören. Das, was hier in Deutschland zu machen ist – egal ob antifaschistische, antriassistische, antiableistische oder sonstige Arbeit – ist Marathon, kein Sprint. Wir haben alle nicht Säcke voll Kraft irgendwo in der Ecke stehen – müssen also gucken, wie wir das, was wir brauchen, auch wieder generieren und nachfüllen.

    Ausgepowerte, zynische Unterstützer*innen oder Aktivist*innen werden bitter oder fallen irgendwann raus, wollen „mit dem Kram nichts mehr zu tun haben“.

    Drum appelier ich auch immer an alle: Macht euch kollektiv. Einzelkämpfer*innentum ist sehr schnell kontraproduktiv, weil eins dann auch stets aus sich selbst heraus schöpfen muss. Die streichelnde Hand kommt von wem anders und das tröstende Wort wird vom Gegenüber gesprochen.

    Ansonsten gilt: No pasaran. Dieserhalb – auch virtuell ein Sack voll Flausch auf Robert und alle Aktivist*innen

    • Robert sagt

      Danke für den konstruktiven Beitrag. Die Kunst ist es wohl auf Menschen mit Erfahrung zu hören, dass habe ich nicht gemacht und habe geglaubt das es mich schon nicht erwischen wurd. Tja … Lehrgeld und so.

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